Introvertiert bedeutet nicht gleich schüchtern. So erkennst du den Unterschied.

Der ewige Mythos

"Introversion: Was du gegen deine Schüchternheit tun kannst.” Neulich habe ich mal wieder so einen Artikel mit einer ähnlichen Headline gelesen. Und ich konnte nur mit dem Kopf schütteln.

Denn: Introvertiert zu sein bedeutet nicht gleich schüchtern zu sein. Und das wird leider sehr oft noch falsch verstanden bzw. falsch miteinander in Verbindung gesetzt. Sowohl im beruflichen als auch im privaten Kontext.

Ich erlebe es z. B. selber oft, dass mir gesagt wird: "Also, dass du introvertiert bist, hätte ich nicht gedacht. Du bist doch gar nicht schüchtern."

Nein, ich bin auch nicht.

Daher macht es Sinn, sich einmal die genauen Unterschiede anzuschauen, um ein besseres Verständnis zu bekommen.

Was bedeutet Introversion?

Introvertiert bedeutet, dass du die Kraft aus dir selber ziehst und nicht aus externer Stimulation wie Gesprächen mit anderen Menschen. Du konzentrierst dich vor allem auf deine inneren Gedanken, Stimmungen und Gefühle und bist ganz bei dir und benötigst viel Zeit für dich, um deine Energiereserven wieder aufzutanken.

Introversion ist ein genetisch festgelegtes Charaktermerkmal.

Geprägt wurde der Begriff Introversion (und natürlich auch Extraversion) von dem schweizer Psychiater Carl Gustav Jung im Jahre 1921.

Was bedeutet hingegen Schüchternheit?

Schüchternheit ist eine Form von Angst. Wie jede Angst, ist auch Schüchternheit angelernt, z. B. durch bestimmte Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens gemacht haben und / oder durch unsere Erziehung. Schüchternheit wirkt sich z. B. so aus, dass du bei einer für dich unbekannten Situation z. B. feuchte Hände bekommst, Herzrasen, rot anläufst, zu schwitzen anfängst. Du traust dich nicht mehr, etwas zu sagen, aus Angst kritisiert zu werden oder weil du etwas falsches sagst, das peinlich ist. Im Grunde ist Schüchternheit also eine Angst vor Zurückweisung oder Ablehnung. 

Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass man Schüchternheit überwinden kann.

Ist die Schüchternheit extrem ausgeprägt, dann spricht man auch von sozialer Phobie. Das bedeutet, dass sich die Betroffenen immer mehr zurückziehen und schließlich den Kontakt mit Menschen vermeiden. Schätzungsweise leiden in Deutschland 8,5% der Bevölkerung an einer sozialen Angststörung.

Wie kommt es nun, dass Introversion so oft mit Schüchternheit verwechselt wird?

Stellen wir uns doch mal eine Meeting-Situation vor. Themen werden diskutiert, viele Menschen reden (oft auch) durcheinander, wer laut ist, wird gehört, 

Wie verhalte ich mich als introvertierte Person?
Ich bin in solchen Meeting-Situationen oft eher ruhiger und zurückhaltender. Aber nicht, weil ich mich nicht traue, etwas zu sagen. Sondern, weil ich z. B. erstmal beobachte, meine Gedanken sortiere, reflektiere, bevor ich dann (oft später) erst spreche, mich einbringe und mein Feedback mitteile. 

Wie verhält sich eine schüchterne Person?
Eine schüchterne Person verhält sich erstmal von außen betrachtet ähnlich. Sie hält sich auch zurück, ist ruhiger, beobachtet, sagt auch nichts. Aber eben aus diesem Grund, weil sie sich z. B. nicht traut / Angst hat, etwas falsches zu sagen und dafür verurteilt zu werden. Es ist ihr peinlich, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Also sagt sie lieber gar nichts.

Fazit

Es zeigt sich wieder einmal, dass es wichtig ist, nicht zu schnell über jemanden zu urteilen. Im Gegenteil: Es lohnt sich, hinter die Fassade zu schauen und den Menschen kennenzulernen und zu verstehen. Denn nur so verstehen wir auch wirklich, was ihn antreibt, warum er sich so verhält.

Und gut zu wissen

Ja, es gibt definitiv viele schüchterne introvertierte Menschen.
Und: Es gibt auch schüchterne extrovertierte Menschen.
Es lässt sich also eben nicht pauschal sagen, dass introvertierte Menschen auch gleich schüchtern sind.

Also: Lasst uns in Zukunft doch bitte Schüchternheit und Introversion voneinander trennen.


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